30. Oktober 2020

Dem Tod geweiht [#WritingFriday]




Nach einem Sturz zur Untätigkeit verdammt und vor Langeweile vergehend bin ich beim surfen im Internet bei Elizzy  gelandet. Sie stellt jeden Monat verschiedene Themen zur Auswahl, zu denen man sich in irgendeiner Textform auslassen kann. Freitags wird veröffentlicht. Da Zeit und Langeweile ausreichend vorhanden sind, habe ich mich an einer Kurzgeschichte versucht. 

Ich habe mich für die Vorgabe "Er zog genüsslich das Messer aus ihrer Brust, wischte es ab und ...." entschieden.

Er zog genüsslich das Messer aus ihrer Brust, wischte es ab und goss sich sein Weinglas voll. Nach dem ersten Schluck des tiefroten, für seine Verhältnisse recht teuren Weines ließ seine Anspannung nach.

Seine Gedanken kehrten zurück zu dem Tag, als er sie das erste Mal sah. Es war an einem sonnigen Samstag. Er erinnerte sich noch so genau, weil er sich Arbeit mit nach Hause genommen hatte. Normalerweise war ihm sein Wochenende heilig, aber sein Chef wurde langsam ungeduldig und wollte Ergebnisse sehen. Vom ersten Morgendämmern bis zum Mittag hatte er konzentriert gearbeitet und brauchte jetzt dringend frische Luft, um den Kopf wieder klar zu bekommen. 

Er spazierte durch die nahen Felder an einem Gehöft vorbei. Da sah er sie. Wie elektrisiert blieb er stehen. Sie lief über eine Wiese zupfte mal hier, mal da an einem Grashalm. Das war sie. Genau die musste er haben. Er verharrte bewegungslos und traute sich kaum zu atmen. Ihr Gang war alles andere als leichtfüßig und elegant, aber was spielte das für eine Rolle, wenn sie, obwohl noch so jung, an den richtigen Stellen ordentlich was zu bieten hatte. Auch ihr schlichtes, weißes Kleid gefiel ihm, dem alles Bunte und Aufdringliche zuwider war, ausgesprochen gut. Was war ihm seine erste Frau mit ihrer Vorliebe für auffallend bunt auf die Nerven gegangen. Besonders wenn sie mal wieder mit einer neuen Errungenschaft nach Hause kam und darin vor ihm hin und her tänzelte. Egal, das war Schnee von gestern. Sie hatte ihren letzten Atemzug längst getan.

Sein Handy vibrierte und holte ihn wieder in die Wirklichkeit zurück. Seine Mutter wollte wissen, ob er mal zum Essen käme und nölte wieder rum, wie selten er sich doch blicken ließ. Dieses Wochenende passte es nun ganz und gar nicht. Auch wenn er ihr das nur schwer begreiflich machen konnte, seine Arbeit erledigte sich schließlich nicht von selbst.

In den nächsten Tagen kehrten seine Gedanken immer wieder zu ihr zurück. Er widerstand dem Impuls, an dem Gehöft vorbei zu spazieren. Aber was hätte das für einen Sinn gehabt. Wenn er abends endlich zu Hause war, wurde es schon dunkel und sie wäre wahrscheinlich gar nicht mehr draußen gewesen. Er hätte ja schlecht bei den Hofbesitzern klingeln können und sagen "Entschuldigen Sie die späte Störung, aber ich möchte mein Opfer noch einmal anschauen, bevor ihm der Garaus gemacht wird."

Erst vier Wochen später fand er wieder Gelegenheit sie zu beobachten. Sie schien größer geworden, aber das sollte ihm recht sein.

Und jetzt lag sie endlich in Stücke zerteilt vor ihm. Er war verrückt nach ihrer gebräunten Haut. Genüsslich schob er sich den ersten Bissen in den Mund. Was für ein Festessen und perfekter Tagesausklang! Er kaufte seine Martinsgans immer bei diesem Bauernhof, frisch geschlachtet und artgerecht aufgewachsen. 


2 Kommentare:

  1. Schön geschrieben vor allem der Hinweis auf die erste Frau, da musste ich mir automatisch vorstellen, dass da sirgendwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein könnte. Wie gut, dass hier auch kein Mensch umkam, sondern es sich um einen kulinarischen Genuss handelt.

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  2. Puh, auch wenn ich mir fast gedacht habe, dass es sich um ein Federvieh handelt, ein wenig gruselig ist es schon.
    Ud hast eine tolle Kurzgeschichte geschrieben.
    Hab einen schönen Abend, lieben Gruß
    Nicole

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